Beratungsbericht an den Landtag gemäß § 88 Absatz 2 LHO über die mögliche Ausgestaltung einer Schuldenbremse im Land Brandenburg

Ab 1. Januar 2020 gilt für die Länder das strikte Neuverschuldungsverbot des Artikels 109 Absatz 3 Grundgesetz. Der Landesrechnungshof möchte mit seinem Bericht Empfehlungen und Hinweise für eine landesrechtliche Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse geben. Diese basieren auf Auswertungen und Erkenntnissen auch anderer Rechnungshöfe. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

0.1. (Tz. 5.1.6)
Artikel 109 Absatz 3 Satz 1 GG ordnet mit direkter Wirkung für die Landeshaushalte an, dass diese grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Den Ländern steht es frei, ob sie überhaupt von den Ausnahmeregelungen des Artikels 109 Absatz 3 Satz 2 GG Gebrauch machen wollen.

0.2. (Tz. 5.1.6)
Trifft der Landesgesetzgeber bis zum 31. Dezember 2019 allerdings keine landesgesetzliche Regelung, gilt das strikte Verbot des Haushaltsausgleichs mit Hilfe von Einnahmen aus Krediten ab dem Haushaltsjahr 2020 ausnahmslos.

0.3. (Tz. 8.1)
Das Land würde ohne eigene Regelungen verfassungsrechtliche Spielräume zur rechtlichen und inhaltlichen Ausgestaltung, die Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 GG ausdrücklich einräumt, nicht nutzen. In der Folge wären weder konjunkturbedingte noch notlagenbedingte Kreditaufnahmen zulässig.

0.4. (Tz. 7.2)
Eine landesgesetzliche Regelung zur Schuldenbremse auf Verfassungsebene würde die Schuldenbremse auch in Brandenburg zum Verfassungsgut erklären und ihre Bedeutung für die Fiskalpolitik des Landes deutlich  hervorheben. Darüber hinaus wären die darin enthaltenen allgemeinen Grundsätze aufgrund des Mehrheitserfordernisses zur Änderung einer Verfassungsnorm weitaus größerer Kontinuität unterworfen als eine einfachgesetzliche Regelung.

0.5. (Tz. 7.4)
Ausschließlich eine landesgesetzliche Regelung zur Schuldenbremse auf Verfassungsebene wahrt die Kontrollmöglichkeiten der Opposition durch das Landesverfassungsgericht.

0.6. (Tz. 8.2.4.1)
Zu den Ausnahmetatbeständen der Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen sollte auf eine eigene landesrechtliche Definition verzichtet werden.

0.7. (Tz. 8.2.4.5)
Eine qualifizierte Zustimmung des Parlaments bei der Festlegung, wann ein notlagenbedinger Ausnahmetatbestand vorliegt, der eine Kreditaufnahme für zulässig erklärt, sichert hinreichende Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten des Haushaltsgesetzgebers. Sie sollte daher gesetzlich verankert werden.

0.8. (Tz. 8.2.4.6 f.)
Ein Tilgungsplan für notlagenbedingt aufgenommene Kredite sollte so konkret wie möglich ausgestaltet sein, durch den Haushaltsgesetzgeber beschlossen werden und Berichts- und Vorlagepflichten an das Parlament enthalten.

0.9. (Tz. 8.3.2)
Zur Bestimmung der Konjunkturkomponente, aus der sich eine zulässige konjunkturbedingte Neuverschuldung ergibt, werden in Bund und Ländern unterschiedliche Konjunkturbereinigungsverfahren angewandt. Diese sind zudem noch differenziert ausgestaltet. Entsprechend ergeben sich bereits aus den verschiedenen Modellen zahlreiche Stellschrauben, die zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich einer zulässigen Nettokreditaufnahme und deren Höhe führen.

0.10. (Tz. 8.3.2.5)
Derzeit erarbeitet der Stabilitätsrat Vorgaben eines Konjunkturbereinigungsverfahrens, mit der er die Einhaltung der Schuldenbremse in Bund und Ländern überwachen soll. Ein eigenes landesrechtliches Konjunkturbereinigungsverfahren bleibt aber weiterhin zulässig.

0.11. (Tz. 8.3.3.2)
Der Landesrechnungshof hat Modellrechnungen zu verschiedenen bereits angewandten Konjunkturbereinigungsverfahren durchgeführt. Im Ergebnis hätten sich bei allen Modellen für die Jahre 2009/2010 in Folge der Finanzkrise negative Konjunkturkomponenten ergeben und somit Neuverschuldungsspielräume eröffnet. Ab 2011 ergeben die Berechnungen der Modelle nahezu durchgängig positive Konjunkturkomponenten und hätten insoweit für die konjunkturbedingt aufgenommenen Kredite Tilgungsverpflichtungen begründet.

0.12. (Tz. 8.3.5)
Im Ergebnis der Modellrechnungen für Brandenburg kann kein bestimmtes Modell für Brandenburg empfohlen werden. Jedes Modell weist bestimmte Vor- und Nachteile auf. Insoweit sollten bei der Festlegung des Modells durchaus landesspezifische Belange Berücksichtigung finden. Allerdings gibt es Anforderungen, die aus Sicht des Landesrechnungshofes – neben der grundgesetzlich geforderten Symmetrie – in jedem Fall unabhängig vom zu wählenden Konjunkturbereinigungsverfahren erfüllt sein sollten. Dazu gehören u. a. die Schaffung eines Kontrollkontos, mit dem Änderungen im Haushaltsvollzug sowie die Symmetrieeigenschaft überwacht und dokumentiert werden sollten, rechtlich verbindliche Tilgungsregelungen für aufgenommene Kredite sowie eine starke rechtliche Verankerung des Verfahrens, um Adhoc-Eingriffe in das Verfahren zu vermeiden. Steuerrechtsänderungen sollten im Verfahren Berücksichtigung finden, um eine strukturell bedingte Nettoneuverschuldung zu vermeiden. Zudem sollten das Konjunkturbereinigungsverfahren und dessen Ergebnisse dokumentiert und der Öffentlichkeit und dem Parlament als Haushaltsgesetzgeber zugänglich gemacht werden. Dies sollte durch entsprechende Regelungen verbindlich festgeschrieben werden.

0.13. (Tz. 8.4)
Bei der Schaffung einer landesrechtlichen Regelung sollte geprüft werden, ob und inwieweit die Extrahaushalte des Landes, d. h. insbesondere rechtlich selbständige Sondervermögen und juristische Personen, in schuldenbegrenzende Regelungen einbezogen werden.

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